„Problematische Milchmädchenrechnung“

Die Obere Kommunalaufsichtsbehörde, das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, hat den am 23. Februar vom Kreistag beschlossenen Haushaltsplan für das Jahr 2023 nicht bestätigt. Voraussichtlich in einer zusätzlichen Sitzung am Donnerstag, 25. Mai, wird der Kreistag erneut über den Haushalt für das laufende Jahr entscheiden müssen. Für Patrick Puhlmann sind zahlreiche Punkte der Beanstandung durchaus nachvollziehbar, andere dafür sehr fragwürdig. Der Landrat sprach am Dienstag in einem Pressegespräch über…

… die Personalkosten: „Zuerst einmal betone ich, dass ich die Kritik sehr ernst nehme. Wir machen da auch was. Deshalb arbeitet das Personalamt mit Hochdruck an einem Personaleinsparkonzept. Seitdem ich im Februar die Leitung der Konsolidierungs-Gruppe übernommen habe, konnten wir in Summe bereits 30 Stellen identifizieren, die wir einsparen wollen. So werden Stellen teilweise nicht neu besetzt. Dabei handelt es sich auch um Stellen, welche die Bürger durch längere Wartezeiten etwa in der Zulassungsstelle oder bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen, unmittelbar zu spüren bekommen. Wir sparen aber auch Stellen bei der Landesaufnahmeeinrichtung ein. Hier haben wir einen Antrag auf Personalgestellung an das Land gestellt. Das Landesverwaltungsamt bemängelt grundsätzlich, dass die Personalkosten je Einwohner im Vergleich mit anderen Landkreisen deutlich zu hoch sind. Für mich ist das eine problematische Milchmädchenrechnung und ganz klar ein Angriff auf den ländlichen Raum. Wir betreuen keine Einwohner, sondern erfüllen Aufgaben! Da müssen wir als kommunale Familie an einem Strang ziehen, dass es eben pro Einwohner auch mal mehr Mitarbeiter braucht, damit die Aufgaben erfüllt werden können. Diese Einigkeit in der derzeitigen politischen Auseinandersetzung vermisse ich. Gegenüber anderen Kreisen haben wir viel Fläche bei einer geringen Einwohnerzahl. Somit haben wir aber auch beispielsweise ein längeres Straßennetz. Das erfordert den einen oder anderen Straßenwärter mehr, um alle Verkehrswege in standzuhalten, als in anderen Kreisen. Dazu kommen etwa im Bereich Natura2000 andere Aufgaben, als Kreise ohne direkte Nähe zu einem Fluss wie der Elbe. Daraus resultieren vereinzelte, aber notwendige Stellen, die anderswo eben nicht auflaufen. Diese kosten uns jährlich Geld und Zinsen, die so über die Jahre das Defizit angehäuft haben.

… die freiwilligen Aufgaben: „Diese umfassen bei uns aktuell 1,2 Prozent der Gesamtkosten und betreffen etwa Museen, die Kreisvolkshochschule, aber auch die Kreismusikschule sowie die Fahrbücherei. Es geht aber auch um die Zuschüsse für Vereine. Das Landesverwaltungsamt sieht hier Einsparpotenzial von bis zu 500.000 Euro. Wir arbeiten intensiv an Einsparvorschlägen. Im nächsten Kreistag wird die Verwaltung die von der CDU-Fraktion geforderte Liste vorlegen. Darauf steht dann aber wirklich alles, was in diesem Jahr noch veränderbar wäre. Klar ist aber, dass selbst unter starken Schmerzen dadurch der Haushalt nicht ausgeglichen sein wird.“

… die Kreisumlage: „Der Kreistag hat zuletzt auf 45 Prozentpunkte entschieden. Hierzu hat das Landesverwaltungsamt ebenso angeregt, dieser Entscheidung zu überdenken. In unserer neuen Vorlage zum Haushalt werden erneut 47 Prozent die Basis sein.“

… die Unterfinanzierung: „Wir stehen im Vergleich mit anderen Landkreisen nicht allein da. Auch anderswo gibt es Defizite in Höhe von 20 Millionen Euro oder sogar mehr. In Summe sind es nach einer Zusammenfassung des Landkreistages 185 Millionen Euro in Sachsen-Anhalt, welche allen Landkreisen fehlen. Bei uns besteht allerdings seit Jahren die Sondersituation, dass keine Rücklagen vorhanden sind, um derartige Summen aufzufangen. So geraten wir tatsächlich in eine Überschuldung, welche die Kommunalaufsicht nun beanstandet hat. Die Ursache dafür ist die chronische Unterfinanzierung der Landkreise durch Bund und Land. Dazu ein Beispiel: Die Bundesregierung hat im Vorjahr eine Reform des Wohngeldes beschlossen. Dabei ist kurzfristig ein enormer Aufwuchs an Arbeitsaufwand für die Kreisverwaltung entstanden. Allerdings wird dem Landkreis nicht mehr Geld zur Verfügung gestellt, um das erforderliche, zusätzliche Personal einzustellen. So liegen beim Wohngeld aktuell etwa 2.000 Anträge mehr als im Vorjahr unbearbeitet in der Kreisverwaltung, sodass wir im Ergebnis den Bürgern deutlich längere Wartezeiten zumuten müssen. Ein anderes Beispiel sind die Kosten der Unterkunft (KdU). Der Bund hat sich bis zum Jahr 2019 mit bis zu 40 Prozent daran beteiligt, damals hatte unser Landkreis dann ein Defizit von 5,7 Millionen Euro. Im Jahr 2020 hat der Bund seine Unterstützung erhöht, seither beträgt sie über 60 Prozent. Diese zusätzlichen Einnahmen haben sich dann ein Jahr im Landkreis Stendal ausgewirkt, das Defizit betrug nur noch 500.000 Euro. Bereits im Jahr 2021 war dieser Effekt dann aber weg, weil das Land diese Einnahmen auf den Finanzausgleich angerechnet hat. Das drückt das Defizit von etwa 5 Millionen Euro deutlich aus. Jetzt brüstet sich das Land damit, höhere Steuereinnahmen erzielt und Schulden getilgt zu haben, während Landkreise und Kommunen in die Schuldenspirale geschickt werden. Das ist eine unfassbare Schieflage.“

… das Kosten-Verursacher-Prinzip: „Aus meiner Sicht muss derjenige die Kosten tragen, der sie bestellt. Beschließt die Bundesregierung als Beispiel ein neues Gesetz, muss sie auch die Kosten zu dessen Umsetzung tragen. Dies ist aktuell nicht der Fall. Dabei haben wir als Landkreis keine eigenen Steuereinnahmen, sind auf die Zuweisungen durch das Land sowie die Kreisumlage angewiesen. Auf der anderen Seite haben wir aber die Kosten, spüren deren Steigerungen sowie die hohe Inflation. Dies verstärkt die Schuldenspirale, in der sich der Landkreis Stendal bereits seit mindestens zehn Jahren befindet, immer weiter.“