Inklusionsprojekt in Seehausen
Drei spannende und lehrreiche Tage drehte sich vergangene Woche für zehn Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule J. J. Winckelmann alles um Inklusion. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Netzwerkpartnern organisierten die Interessengruppe „Barrierefreies Seehausen“ und das Örtliche Teilhabemanagement im Landkreis Stendal zum Thema „Inklusion – Wie barrierefrei ist meine Stadt?“ ein Schulprojekt, wobei die Schülerinnen und Schüler einen tiefen Einblick in die Lebenswelten von Menschen mit Behinderung erhielten und lernten, wie wichtig es ist, Barrieren abzubauen – sowohl in der Gesellschaft als auch in der eigenen Umgebung.
Tag 1: Blindenparcours, Hilfsmittel und Stadtbegehung
Der Mittwoch begann mit einem Blindenparcours, bei dem die Schülerinnen und Schüler mit verbundenen Augen Hindernisse überwinden mussten. Diese Übung verdeutlichte eindrucksvoll, wie herausfordernd der Alltag für Menschen mit Sehbehinderung sein kann. Begleitet wurde der Parcours von Mitarbeiterinnen des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen-Anhalt.
Auf dem Erlebten aufbauend erwartete die Teilnehmenden anschließend ein Vortrag von Annemarie Kock von der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB, der sich neben ihrer Arbeit mit unterschiedlichen Hilfsmitteln für blinde Menschen beschäftigte, wie z.B. einer Braille-Schreibmaschine oder verschiedenen Handy-Apps.
Im Anschluss fand eine Stadtbegehung von der Arendseer Straße über den Marktplatz und die Lindenstraße sowie den Köppenberg statt, bei der die Schülerinnen und Schüler selbst in Rollstühle stiegen, mit Simulationsbrillen Einschränkungen des Sehens erfuhren und Langstöcke nutzten, um die Barrierefreiheit der Stadt zu testen. Besonders beeindruckend war für viele zu erleben, wie alltägliche Dinge – wie Bürgersteigkanten oder schmale Eingänge – zu unüberwindbaren Hürden werden können.
Tag 2: Berufsbilder, Autismus und barrierefreie Kirche
Am Donnerstag lag der Fokus zunächst auf dem Berufsfeld der Arbeit mit Menschen mit Behinderung. In einem informativen Vortrag von Frank Gutmann von der Heilpädagogischen Einrichtung Seehausen lernten die Anwesenden verschiedene Berufe und Arbeitsmöglichkeiten kennen, die sich der Unterstützung und Förderung von Menschen mit Behinderungen widmen. Im Anschluss wurde durch Karina Gyhra vom Autismus Verband Altmark e.V. (AVA e.V.) ein weiterer spannender Vortrag zum Thema Autismus geboten. Hierbei wurden nicht nur theoretische Grundlagen vermittelt, sondern auch alltägliche Herausforderungen und Unterstützungsmaßnahmen thematisiert, die Menschen mit Autismus helfen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Der zweite Stadtrundgang führte die Schülerinnen und Schüler zur Petrikirche in Seehausen, die auf Initiative der Interessengruppe einen barrierefreien Eingang erhalten hat. Dieser Rundgang machte deutlich, wie wichtig es ist, historische Gebäude so umzubauen, dass sie für alle Menschen zugänglich sind.
Tag 3: Gebärdensprache, Suchtparcours und Bahnhofsanalyse
Der Freitag startete mit Reiko Lühe vom Altmärkischen Gehörlosenverein, der gleichzeitig Vorsitzender des Inklusionsbeirates des Landkreises Stendal ist, und einem Gebärdensprachkurs. Hierbei erlernten die Schülerinnen und Schüler die Grundlagen der Deutschen Gebärdensprache und das Fingeralphabet. Die Faszination darüber, wie man sich ganz ohne Worte verständigen kann, motivierte viele, sich intensiver mit diesem Kommunikationsmittel auseinanderzusetzen. Anschließend begaben sich die Schülerinnen und Schüler auf einen Sucht-Parcours, bei dem mit Rauschbrillen die Folgen eines intensiven Alkoholkonsums nachgeahmt wurden. Dieser Parcours, der von der Jugendwerkstatt Hindenburg begleitet wurde, zeigte auf, wie durch Suchterkrankungen das alltägliche Leben erschwert wird.
Zum Abschluss des Projekts ging es zur Begehung des Bahnhofs von Seehausen. Hier nahmen die Schülerinnen und Schüler genau unter die Lupe, wie barrierefrei der Zugang zu Zügen und Bahnsteigen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ist. Besonders die Unterführung zu den Bahngleisen, der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Zug sowie fehlende Orientierungshilfen für sehbehinderte Menschen wurden kritisch hinterfragt. Dank des Engagements der Interessengruppe „Barrierefreies Seehausen“ wird der Bahnhof Seehausen 2025 barrierefrei umgebaut.
Ergebnisse und Ausblick: Übergabe an den Bürgermeister
Während der drei Tage sammelten die Achtklässler viele Eindrücke und Erkenntnisse, die sie nun in einer detaillierten Mappe zusammenstellen. Diese Mappe soll Ende des Jahres im Rahmen einer offiziellen Übergabe dem Bürgermeister überreicht werden. Ziel ist es, konkrete Vorschläge zu machen, wie die Barrierefreiheit in Seehausen weiter verbessert werden kann.
Das Inklusionsprojekt hat nicht nur das Bewusstsein für die Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen geschärft, sondern auch gezeigt, dass Inklusion nur durch gemeinsames Handeln möglich ist. Die Schülerinnen und Schüler haben in diesen Tagen viel über Empathie, Rücksichtnahme und gesellschaftliches Engagement gelernt – und sind bereit, ihr Wissen in die Tat umzusetzen.
Das Örtliche Teilhabemanagement dankt allen Beteiligten für ihr Mitwirken!