Weiterer Erfolg für die ALS

Oberlandesgericht Naumburg bestätigt das Urteil des Landgerichts Stendal vom 17. Januar 2024.

Die Cont-Trans Entsorgungsgesellschaft mbH muss der Abfallentsorgung Landkreis Stendal Dienstleistungsgesellschaft (ALS) Schadensersatz zahlen – das hat das Landgericht Stendal mit einem am 17. Januar 2024 verkündeten Urteil festgestellt. Dagegen ging die Beklagte in Berufung. Das entsprechende Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg am 17. Januar 2025 verkündet und dabei das Urteil des Landgerichts Stendals bestätigt. Eingeklagt wurde Schaden von über 800.000 Euro, deren exakte Höhe nach Bestätigung des Grundurteils nun noch in einem sogenannten Betragsverfahren geklärt werden muss.

Ob alle geltend gemachten Beträge verlangt werden konnten, hing nach Auffassung des Gerichts davon ab, ob der Version vom ominösen Auftauchen des Sticks im Briefkasten des Beraters Glauben geschenkt werden konnte. „Cont-Trans habe nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts mehrfach gegen vorvertragliche Pflichten gegenüber der ALS verstoßen. Das Landgericht habe zutreffend eine Vielzahl an Indizien aufgeführt, welche in ihrer Gesamtheit nur den Schluss zuließen, dass Cont-Trans wesentliche Kalkulationsgrundlagen der Angebote von ALBA gekannt habe, ihrer eigenen Angebotskalkulation zugrunde gelegt habe und sie bewusst und systematisch jeweils knapp unterboten habe, um ihre Zuschlagschancen zu verbessern“, heißt es in der Urteilsbegründung des OLG.

„Das Durchhaltevermögen des Landkreises hat sich gelohnt, vor allem für den Gebührenzahler“, äußerte sich Patrick Puhlmann nach dem Urteil zufrieden. „Die öffentliche Hand hat sich derartige Geschäftspraktiken, welche die Firma Cont-Trans an den Tag gelegt hat, nicht gefallen lassen und dies führte zum Erfolg“, so der Landrat das Landkreises Stendal. Auch Hendrik Galster freut sich über den im Prozess erreichten Meilenstein: „Wir haben diese Klage im Interesse der Gebührenzahler des Landkreises Stendal geführt und hoffen, dass jetzt zügig die Verhandlung über die Festlegung der Schadenshöhe beim Landgericht fortgeführt wird“, so der ALS-Geschäftsführer. Weiterhin lobte Galster die Unterstützung des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der ALS, welche geschlossen hinter dem geführten Rechtsstreit stehen. Puhlmann hofft, dass die Schadenssumme zur Dämpfung künftiger Kostensteigerungen eingesetzt werden kann.

Hintergrund
Der Schaden entstand durch das Verhalten von Cont-Trans als Bieter im Ausschreibungsverfahren für die Abfallsammelleistungen im Landkreis Stendal im Jahr 2017. Cont-Trans gab ein auffälliges Angebot ab: Dieses unterbot ALBA in mehr als 50 Preispositionen geringfügig. Die Nachforschungen der ALS ergaben, dass Cont-Trans die Kalkulationsdatei der ALBA zur Verfügung gestanden hatte. Die im Verfahren vorgelegten Urkalkulationen beider Bieter waren vom Aufbau bis hin zu Rechtschreibfehlern und Abkürzungen sowie Prognosen im fünfstelligen Bereich identisch. ALBA konnte nachweisen, nicht abgeschrieben, sondern selbst kalkuliert zu haben. Deshalb konnte nur Cont-Trans bei ALBA abgeschrieben haben. Aufgrund dessen schloss die ALS Cont-Trans wegen einer schweren Verfehlung (wettbewerbswidriges Verhalten) vom Vergabeverfahren aus.

Dagegen zog Cont-Trans erfolglos vor die Vergabekammer – zunächst mit der Behauptung, die Kalkulation von ALBA nicht gekannt zu haben. Als sich dies im Verlauf nicht mehr aufrechterhalten ließ, behauptete Cont-Trans, ihr Berater habe die Kalkulation eines Tages auf einem Daten-Stick im Briefkasten vorgefunden und für die Kalkulation verwendet. Die Vergabekammer hielt dies zumindest für fahrlässig und bestätigte den Ausschluss im April 2018. Dagegen beschwerte sich Cont-Trans vor dem Oberlandesgericht (OLG) Naumburg – und nahm die Beschwerde in der mündlichen Verhandlung im August 2018 mangels Erfolgsaussichten zurück.

Das Verhalten von Cont-Trans verursachte bei der ALS hohe Schäden. Zunächst entstanden Kosten für die erforderlichen Nachforschungen und Prüfungen im Vergabeverfahren. Weil während des Vergabeverfahrens ein Zuschlagsverbot besteht, musste die ALS neue Vergabeverfahren für eine Übergangsentsorgung durchführen. Diese Verfahren kosteten Geld und die Übergangsentsorgung wurde teurer, als die Entsorgung nach regulärer Ausschreibung gewesen wäre. Als sich die Vergabe durch die Beschwerde von Cont-Trans weiter verzögerte, sprang noch der Bieter für die Sperrmüllabfuhr ab und ein teureres Angebot musste den Zuschlag erhalten.

Im Jahr 2019 klagte ALS die Schäden beim Landgericht Stendal ein. Ob alle geltend gemachten Beträge verlangt werden konnten, hing nach Auffassung des Gerichts davon ab, ob der Version vom ominösen Auftauchen des Daten-Sticks im Briefkasten des Beraters Glauben geschenkt werden konnte. Da dieser inzwischen in der Schweiz lebt, während der Coronazeit nicht in Deutschland vernommen werden konnte und auch danach nicht zum Prozess erschien, musste Rechtshilfe von der Schweiz erbeten werden. So kam es erst im Mai 2023 zur Vernehmung im Kanton Graubünden, im Januar 2024 zum Urteilsspruch.

Ein Strafverfahren gegen den Verantwortlichen Norman M. und eine ehemalige Mitarbeiterin von ALBA, durch die Cont-Trans an die Kalkulationsdatei gelangt sein soll, ist noch nicht abgeschlossen.