4. ÖPNV-Erkundung des Inklusionsbeirates

Zu den Aktionstagen rund um den 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, führte der Inklusionsbeirat des Landkreises Stendal seine 4. ÖPNV-Erkundung durch und befasste sich mit der Frage „Welche Teilhabebarrieren bestehen für Menschen mit Behinderung im Bereich Bus und Bahn?“. Seit 2019 wird jährlich getestet, inwiefern die Züge und Busse im Landkreis Stendal sowie die dazugehörigen Haltestellen barrierefrei für Menschen mit Geh-, Seh- und Hörbehinderung zugänglich sind und wie sowohl Busfahrer und Zugbegleiter als auch Fahrgäste mit den Bedarfen der Teilnehmenden umgehen.

 

Zu Beginn der Tour wurde die Regio-DFI-Säule zur digitalen Fahrplanauskunft an der Haltestelle „Krankenhaus“ in Stendal getestet. Die Bedienbarkeit für Menschen mit Sehbehinderung wurde positiv bewertet, jedoch ist die Säule für Kinder oder Menschen im Rollstuhl nicht erreichbar. Der Beirat befürwortet die Installation weiterer Regio-DFI-Anlagen und hatte sich deshalb im Februar bereits an die NASA gewandt. Die Produktion der Geräte wurde Ende 2021 leider eingestellt, doch es wird momentan geprüft, ob ein derartiges Vorhaben neu aufgelegt werden kann. Ein weiterer Austausch zwischen der NASA und dem Inklusionsbeirat ist vorgesehen.

Anschließend ging es mit dem Bus zum Stendaler Hauptbahnhof. Marcus Graubner, 1. Stellvertreter des Inklusionsbeirates, freut sich über die Umbaumaßnahmen am Stendaler Bahnhof, für die sich der Beirat seit Jahren einsetzt: „Durch die installierten Fahrstühle und die Anhebung der Gleise kommen Menschen mit Gehbeeinträchtigung nun deutlich besser zurecht. Jedoch fehlt es an Beschilderungen, um sich einfacher orientieren zu können“. Außerdem verfügt nicht jedes Zugabteil über Rampen und das Einsteigen für mobilitätseingeschränkte Menschen erweist sich als schwer: Eine Rampe, die vom Zugpersonal ausgefahren werden muss, befindet sich meist am ersten Eingang hinter dem Lokführer. Dies war der Gruppe nicht bekannt und so bemühten sie sich ohne Rampe in den Zug. Der Schaffner erklärte der Gruppe anschließend, dass eine telefonische Anmeldung des Unterstützungsbedarfs kein Muss ist, aber empfohlen wird. Dr. Wiebke Bretschneider, 2. Stellverteterin des Beirates, betont, dass es vorab also immer noch einer guten Organisation bedarf und selbstständiges spontanes Reisen nicht vollständig möglich ist.

Weiter ging es mit dem Regionalexpress nach Tangerhütte, wo den Mitgliedern das Blindenleitsystem und das barrierefreie WC positiv auffielen. Akustische Durchsagen fehlten hingegen, wodurch die Orientierung blinder und sehbehinderter Menschen stark eingeschränkt wird. Anne Kock vom Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen-Anhalt schilderte hierzu: „Durch die fehlenden Ansagen weiß ich nicht, welcher Zug gerade einfährt oder welcher Zug vielleicht Verspätung hat und im schlimmsten Fall steigt man in den falschen Zug“. Außerdem fehlen der Gruppe Fahrplanaushänge.

Die Gruppe fuhr anschließend mit dem Rufbus nach Tangermünde. Der Rufbus und die Hilfsbereitschaft des Fahrers wurden positiv hervorgehoben, da bspw. Wünsche bzgl. des Haltepunkts berücksichtigt wurden. Der Weg von der eigentlichen Haltestelle „Lindenstraße“ bis zum Bahnhof Tangermünde umfasst circa sieben Minuten, was für mobilitätseingeschränkte Menschen zu weit gewesen wäre. Außerdem hätte die Gruppe sonst ihren Anschlusszug verpasst.

Von Tangermünder Bahnhof, an dem das Blindenleitsystem beschädigt war und ebenfalls Durchsagen fehlten, ging es anschließend mit der Regionalbahn zurück nach Stendal. Der Zugang für Rollstuhlfahrer ist in der Regionalbahn „HANS“ durch eine mobile Rampe möglich, die vom Zugpersonal bedient wird. Der Gruppe wurde mitgeteilt, dass der Bedarf vorab telefonisch angemeldet werden muss.

Abschließend erkundeten die Mitglieder noch einmal den Stendaler Hauptbahnhof und zogen ein Resümee: Die Abstände zwischen den Gleisen und Zügen erweisen sich immer noch als große Hürden. Größtenteils war das Personal sehr freundlich und hilfsbereit, doch selbstständiges und spontanes Reisen ist weiterhin nicht vollumfänglich möglich.

Bereits in den Vorjahren wurden teilweise erhebliche Mängel festgestellt. Nach Gesprächen mit zuständigen Stellen konnten oftmals gemeinsame Lösungen gefunden werden, wie z. B. der Einrichtung eines SMS-Bestellservices des Rufbusses, der insbesondere für Menschen mit Hörbehinderung oder seelischer Behinderung die Kommunikation vereinfacht. Reiko Lühe, Vorsitzender vom Inklusionsbeirat und Altmärkischen Gehörlosenverein, vermisst lediglich noch eine Bestätigungs-SMS, ob die Rufbus-Bestellung eingegangen ist und erfolgreich bearbeitet wurde. „Dies sei aus technischen Gründen nicht so einfach umzusetzen“, so Johanna Michelis, Örtliche Teilhabemanagerin im Landkreis Stendal, die für die Vorbereitungen der Erkundungstour mit Stendalbus in Kontakt stand.

In diesem Jahr sollen Gespräche mit den zuständigen Stellen im Sommer/Herbst geführt werden.

Die Aktion wurde in diesem Jahr von Aktion Mensch finanziell gefördert.