Rund 200 Stendaler beteiligen sich an "Deutschland singt"

Bundesweite Mitsing-Aktion auf dem Stendaler Marktplatz

"Deutschland singt!" - und zwar jedes Jahr am 3. Oktober anlässlich des Feiertags zur deutschen Wiedervereinigung. Bundesweit versammeln sich Menschen auf Marktplätzen, um gemeinsam Lieder zu singen. Das Besondere: zur selben Zeit, dieselben Lieder - so möchte man ein Zeichen der Zusammengehörigkeit und Dankbarkeit setzen.

Auch in Stendal fand die Mitsing-Aktion statt, veranstaltet von Dr. Johanne Fischer, Chorkreis Altmark, Maike Schymalla, Musik- und Kunstschule Stendal sowie Susanne Kramarz, Chöre Wust. Der Landkreis Stendal sowie die Hansestadt Stendal unterstützten die Aktion bei der Umsetzung.

19 Uhr ging Susanne Kramarz auf die Bühne, um die rund 200 Stendaler auf dem Marktplatz zu begrüßen. Sie moderierte die Veranstaltung auf ganz besondere Weise. Mit ihrem Charme sorgte sie nicht nur für eine angenehme Atmosphäre, sondern auch für den ein oder anderen Schmunzler.

Landrat Patrick Puhlmann richtete zu Beginn ganz persönliche Worte an das Publikum:

"Es ist der 32. Tag der deutschen Einheit. 32 mal konnten Menschen in Ost und West gedenken und feiern. Gedenken der Trennung von Ost und West, der millionenfachen persönlichen Tragödien und Familienschicksale und feiern über den Wiedergewinn von Freiheit nach dem Fall der Mauer 1989 und der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten am 03. Oktober 1990. Auf die  Errungenschaften dieser beiden Ereignisse können und sollen wir auch heute stolz sein. Wir vergessen aber auch nicht, welche vielen neuen persönliche Tragödien und Familienschicksale durch die Umwälzung der ganzen Gesellschaft hier bei uns in Ostdeutschland hervorgerufen worden sind: kaum eine Familie, die nicht mindestens zeitweise von Arbeitslosigkeit betroffen war. Kaum eine Familie in der nicht auch Jahre danach noch große wirtschaftliche Sorgen und Zukunftsängste eine Rolle spielten. Und trotz tiefgreifender Einschnitte haben wir als ostdeutsche Gesellschaft den Kopf nie in den Sand gesteckt, sondern gemacht, was wir inzwischen schon sprichwörtlich gut können. Wir haben aus dem was da war etwas Brauchbares, ja in vielerlei Hinsicht etwas Großartiges gemacht. Welche andere Wahl hätte es auch gegeben, die Menschen hier haben es eben einfach gemacht.

Wenn es heute darum geht, wie ich mit anderen umgehe, dann spielt für mich und wohl auch für den Großteil meiner und späterer Generationen die Frage nach Ost oder West so gut wie keine Rolle mehr und das ist auch richtig so. Trotzdem weiß ich, wenn es um die Biografien und Lebensleistungen der Menschen geht, die sich auch in der DDR ein Leben aufgebaut haben, dann braucht es auch heute die Anerkennung der Unterschiede genauso wie es den Willen zum Miteinander braucht. Und so ist der Tag der Deutschen Einheit jedes Jahr auch ein Tag unserer Selbstvergewisserung: Wir sind ein gemeinsames Deutschland! Ein gemeinsames Deutschland mit all seinen Facetten von Großartigkeiten und Herausforderungen. Ein gemeinsames Deutschland, wo wir den Zusammenhalt auch in diesen wieder umwälzenden Zeiten leben, wo wir ein gemeinsames Fundament  brauchen, um nicht auseinandergetrieben zu werden. Wo wir Streit aushalten und trotzdem den Menschen gegenüber respektieren. Das muss uns auch weiter gelingen, selbst wenn oder gerade heimische Extremisten und autoritäre Regime dieser Welt die Spaltung unserer Gesellschaft mit allen Mitteln herbeiführen wollen.

Und auch das schenkt uns die Wiedervereinigung von 1990. Ein Zeichen der Hoffnung auf friedliche Überwindung von vollkommen verfahrenen gesellschaftlichen und ebenso verfahrenen weltpolitischen Situationen. Bitte verzeihen Sie, wenn ich es sehr persönlich darstelle: Als meine Frau und ich Anfang der 80-er Jahre  geboren wurden. Da war unsere heutige Familie alles andere als vorgezeichnet, ja sie war eigentlich unmöglich: sie geboren im Ruhrgebiet, ich aufgewachsen in Coswig/Anhalt. Dazwischen eine Mauer und tausende Kilometer unüberwindbarer Grenzstreifen und zwei weltpolitsche Machtblöcke, die sich bis an die Zähne bewaffnet gegenüber standen: Es war doch für jeden damals normal denkenden Menschen völlig hoffnungslos ausgeschlossen, dass irgendwann ein 20-Jähriger aus Ostdeutschland bei seinem Zivildienst im Elsass in Frankreich auf eine aus‘m Ruhrpott stammende, einen Europäischen Freiwilligendienst leistende  19-Jährige trifft, und daraus unsere heute in der Altmark lebende Familie wird. Damals völlig ausgeschlossen, vollkommen realitätsfern! Und dennoch ist es so passiert! Das ist einerseits mein ganz persönliches Glück der Deutschen Einheit und andererseits für mich ein ganz persönliches Hoffnungszeichen auf das Ende unüberwindbar scheinender Konflikte, die wir hier und heute in Europa erleben müssen.

Zum Schluss: Wie ließe sich Zusammenhalt schöner zeigen und feiern als durch gemeinsames Singen. Ich danke den Chören aus dem gesamten Landkreis für ihre Ideen und ihre Stimme heute bei dieser Feier zu Deutschland singt. Wo wir unsere Verbundenheit zwischen uns hier, aber auch zu all den anderen Sängerinnen und Sängern, die jetzt zeitgleich auf den Marktplätzen der ganzen Bundesrepublik zur Feier des Tages der deutschen Einheit singen. Lassen Sie uns einstimmen, vom Frieden singen und auch mit Stolz von Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland. Nicht als nationalistisches Geheul, aber mit Stolz auf das, was wir als deutsche Gesellschaft sind und auf das, was wir seit 1990 errungen haben."

Auch Oberbürgermeister Bastian Sieler begrüßte die Menschen und forderte sie dazu auf, die künftigen Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Die Musik- und Kunstschule Stendal unter der Leitung von Maike Schymalla begleitete das Publikum mit einem Klavier, einem Schlagzeug, einer Querflöte und vier Sänger:innen. Insgesamt wurden 12 Lieder angestimmt. Die National- und Europahymne rundeten die Veranstaltung ab.